Thema des Monats Mai 2019
Belastung beim Ausdauertraining
Kommt Euch dieses Bild bekannt vor?
Ein Mann, um die vierzig, Kaderstellung, Wohlstandsbäuchlein, hegt plötzlich (vielleicht aufgrund des letzten Checks beim Arzt) den Wunsch nach körperlicher Betätigung. Schnell ein paar neue Laufschuhe bestellt (Zalando lässt grüssen) und raus auf die Piste. Als stolzer Hausbesitzer in einem netten Quartier, geht’s zuerst mal vorbei an den lieben Nachbarn. Nix mit gemächlichem Tempo zum warm werden, sondern gleich mal richtig zügig. Was denken sonst die andern…? Man(n) ist doch keine Pfeife! In der Primarschule war man doch mal der Jahrgangsschnellste.
Schon bei der ersten Biegung steigt der Puls über die 150er Marke. Was unser Mann natürlich nicht weiss. Denn Pulsmesser tragen doch nur die Bekloppten, oder vielleicht die Spitzensportler. Also immer schön aufs Tempo drücken… obwohl, er fühlt sich gar nicht gut an… das Herz rast, die Lunge brennt…. egal, da muss er durch, das wird dann schon besser. Machen wir gleich eine schöne Runde. Nur nicht zu früh zurück sein, denk an die Nachbarn! Dann endlich… bald wieder zu Hause, nur noch die letzten 300 Meter… aber jetzt mit Vollgas… noch einen zünftigen Trainingsakzent setzten… bringt ja sonst nichts! Mit hochrotem Kopf an den Nachbarn vorbei, ein gequältes Lächeln auf den Lippen und dann, nach Luft ringend zuhause auf dem Sofa!
Ihr lacht? Dabei gibt es bei diesem Szenario nicht allzu viel zum lachen und hat mit Training nichts zu tun, eher mit Dummheit. Okay, falls dies ein einmaliges Ereignis bleibt, weil besagter Mann am nächsten Tag vor lauter Muskelkater nicht mehr laufen kann und mind. drei Tage braucht, um sich halbwegs zu erholen, ist keine Schädigung zu erwarten. Wer sich jedoch immer wieder so übertrieben bewegt, der kann sich auf einiges gefasst machen:
• Massive Schwächung des Immunsystems
• Negative Beeinflussung des Hormonsystems
• Langzeit-Übersäuerung
• Schlafstörungen
• Hoher zusätzlicher Stress
• Verkürzung der Lebenserwartung
• bis zu massivem Übertraining
Leider ist obiges Beispiel kein Einzelfall. Ein sehr grosser Anteil der Trainierenden bewegt sich bei den ausgeübten Sportarten mit einer zu hohen Belastung. Diese entsteht, da sie sich nur auf ihr Gefühl verlassen und selten die persönlichen Trainingsbereiche kennen. Nur sehr wenige Sportler absolvieren gezielte Messungen und Tests und kennen daraus resultierend ihre Trainingsbereiche.
Wie sieht dies im Fitnessstudio aus?
Beim Krafttraining bekommt Ihr von uns ganz klare Angaben. Mit 7 bis 12 Wiederholungen (WH) den Muskel aufbauen; mit 3 bis 6 WH mehr Kraft und die Muskeln straffen und mit 20 – 25 Wiederholungen etwas für die Kraftausdauer und bessere Durchblutung tun.
Und beim Ausdauertraining? Pauschal sprechen wir da von einem Pulsbereich von 120 bis 150 Herzfrequenz pro Minute (HF/Min) für die Grundlagenausdauer, oder die Fettverbrennung und einem Bereich von 150 bis 180 HF/Min für eine bessere Ausdauer oder Herz-Kreislaufleistung. Das Ganze entsprechend dem jeweiligen Alter des Trainierenden. Dabei werden ganz allgemeine Formeln verwendet wie z.B. 220 minus Lebensalter gleich 100% und dann mit 60,70 oder 80 Prozent davon trainieren. Ohne Rücksicht auf die persönliche Kondition und Gegebenheiten. Dass dabei die einen viel zu hoch trainieren und andere kaum belastet sind, verwundert wohl nicht. Messungen zeigen, dass so die Hälfte der Trainierenden in einem völlig falschen Bereich trainieren. Wer nicht misst, weiss effektiv nicht wo er steht und was er genau machen muss!
Die richtige Belastung austesten
Wie geht das? Welche Möglichkeiten existieren? Früher war oft vom „Conconi“-Test die Rede. Eine relativ einfache Methode, jedoch mit Ungenauigkeiten behaftet.
Als nächstes wäre da der Laktatstufentest. Bei diesem Test wird mit regelmässig erhöhten Belastungsstufen gearbeitet und bei jeder Stufe per Finger- oder Ohrpicks ein Tropfen Blut abgenommen und getestet. Eine sehr genaue Methode und mit heutigen, mittlerweile sehr kleinen Messgeräten auch wirtschaftlich durchführbar.
Eine weitere Möglichkeit ist die Spiroergometrie. Bei diesem Verfahren wird wie beim Laktattest mit Stufen gearbeitet und dabei über eine Atemmaske die Atemgase gemessen und ausgewertet. Der Test ist einfach und relativ genau. Die Ergebnisse sollten professionell ausgewertet und interpretiert werden. Die Kosten bewegen sich dabei im Bereich von Fr. 300.- pro Messung.
Eine einfache Variante ist die eigene Messung des Herzschlages und dessen Zuordnung in unterschiedliche Intensitätsbereiche. Sinnvoll sind drei bis fünf Belastungsbereiche: Sehr locker, locker, mittel, streng und sehr streng. Mit einer Pulsuhr können die verschiedenen Bereiche zugeordnet werden, wobei man mit bildhaften Vergleichen arbeitet:
– Sehr locker und locker = normales sprechen in ganzen Sätzen ist möglich
– Mittel = sprechen in kurzen Sätzen möglich
– Streng = sprechen nicht mehr oder nur noch stockend möglich.
– Sehr streng = sprechen ist unmöglich, die Lunge brennt
Für eine Zuordnung der Pulswerte in jedem Bereich über fünf bis zehn Minuten bleiben und dabei den Puls genau beobachten und anschliessend notieren.
Welche Bereiche werden von diesen Tests abgeleitet?
Regeneration (sehr leicht):
Regeneratives Training findet nach einem Wettkampf, nach sehr intensivem Training, oder bei hohen Stressbelastungen im Alltag statt. Mit einem regenerativen Training kann die Erholung beschleunigt werden. Zudem findet hier bereits eine gewisse Fettverbrennung statt. Vor allem bei gut trainierten Personen. Die Intensität ist sehr gering.
Grundlagenausdauer GA1 (leicht):
Das GA1 Training ist in den meisten Ausdauersportarten der Haupttrainingsbereich. 50 – 70 % der Trainingsdauer sollte im GA1 Bereich stattfinden. Die Intensität ist locker bis mittel und die Dauer beträgt 45 Minuten bis mehrere Stunden. Ausser dem Training der Grundlagenausdauer, wird hier optimal Fett verbrannt.
Grundlagenausdauer GA2 (mittel):
Das GA2 Training ist hervorragend geeignet, um im Körper abwechslungsreiche Intensitäten und somit neue Trainingsreize hervorzurufen. Das Training kann nach Lust und Laune gestaltet werden. Die Intensität ist mittel bis hoch und die Dauer beträgt 30 Minuten bis mehrere Stunden. In diesem Bereich findet keine direkte Fettverbrennung mehr statt. Die gesamte Leistung wird über den Kohlenhydratstoffwechsel bezogen.
Entwicklung und Spitzenbereich (streng bis sehr streng):
Die Intensitätsbereiche Entwicklung und Spitzenbereich verbessern vor allem die maximale Leistungsfähigkeit des Herzkreislaufsystems. In diesen Bereichen findet auch das Intervalltraining (HIIT) statt. Das Intervalltraining kennzeichnet sich durch einen geplanten Wechsel von Belastungs- und Erholungsphasen. Die Intensität ist hoch bis sehr hoch und die Dauer beträgt 15 bis 90 Minuten. In diesem Bereich sollte nicht mehr als ca. 10 Prozent des gesamten Trainingsumfanges trainiert werden.
Fazit:
Mit der Auswahl der richtigen Belastungsbereiche können persönliche Trainingsziele viel effizienter erreicht werden, ohne dass eine Überlastung stattfindet. Natürlich müssen auch innerhalb dieser Bereiche die bekannten Trainingsprinzipien wie „steigende Belastung“, „Superkompensation“ und „SAID“ berücksichtigt werden. Das Trainerteam vom SUN-Fitness hilft und unterstützt euch gerne dabei.
Stephan Hodel