schwangere Frau beim Krafttraining


Krafttraining in der Schwangerschaft

Sport in der Schwangerschaft ist noch immer ein recht umstrittenes Thema, obwohl positive Effekte von pränataler Bewegung für Mutter und Kind als gesichert gelten. Ärzte und Hebammen tun sich oft schwer, konkrete Bewegungsempfehlungen herauszugeben – vor allem dann, wenn man Sportarten wie Krafttraining und Laufen betreiben möchte, die über die gängigen Angebote von Schwangerschaftsyoga und Schwangerschaftsgymnastik hinausgehen.

Körper tickt anders

Jeder sportlich aktiven Schwangeren ist wahrscheinlich aufgefallen, dass der Körper als werdende Mutter anders tickt. So kommt man beispielsweise deutlich schneller außer Atem – unter anderem beim Treppensteigen, der Puls steigt auch bei geringer Belastung schneller an, man kann weniger Kraft aufbringen und wird im Allgemeinen schlapper und unbeweglicher. Kein Wunder, denn mit einer Schwangerschaft gehen zahlreiche körperliche Veränderungen des Herz-Kreislauf-Systems, des Bewegungsapparats, des Hormonhaushalts, des Immunsystems und der Psyche einher. Diese Adaptationen lassen sich zum einen mit dem Anstieg der Körpermasse erklären, aber auch mit der Notwendigkeit, das heranwachsende Kind bestmöglich zu versorgen und seinen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Das Zusammenspiel von Lunge, Herz und Blutversorgung gilt als ein wesentlicher Parameter für sportliche Leistungsfähigkeit, das sich während der Schwangerschaft stark verändert. Das Herz muss eine höhere Pumpleistung verrichten, um die Gebärmutter zu versorgen. Das Herzzeitvolumen steigt um 30 bis 50 Prozent und auch das Blutvolumen erhöht sich um ca. 50 Prozent. Dadurch steigt auch der Ruhepuls um etwa 20 Schläge und die Herzfrequenz schießt bei Anstrengung deutlich schneller nach oben. Durch das wachsende Baby wird das Zwerchfell nach oben gedrückt, was die Lunge, die für die Sauerstoffaufnahme zuständig ist, zusammenpresst. Aus diesem Grund und auch wegen des erhöhten Progesteronspiegels atmen Schwangere generell schneller. Das Atemminutenvolumen steigt um bis zu 50 Prozent, sogar in Ruhe. Und auch bei körperlicher Anstrengung steigt die Atemfrequenz zügiger an, sodass das Gefühl von „schnell aus der Puste sein“ entsteht.

Außerdem verschiebt sich der Körperschwerpunkt durch das Wachsen der Brüste, der Gebärmutter und des Babys nach vorn, wodurch es zum Kippen des Beckens und zu einer verstärkten Lordose der Lendenwirbelsäule kommt. Dadurch können Gleichgewichtsschwierigkeiten und Rückenschmerzen entstehen. Hinzu kommt, dass Sehnen und Bänder insgesamt weicher werden, wobei gleichzeitig die Belastung auf die Gelenke steigt, was zu einer Instabilität und möglichen Verletzungsgefahren zum Beispiel durch Umknicken führen kann. Nicht zu unterschätzen sind auch psychische Faktoren, die durch die hormonellen und körperlichen Veränderungen beeinflusst werden. Übelkeit, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen, eine erhöhte Emotionalität, Schlafstörungen und sogar Depressionen können mehr oder weniger stark auftreten und beeinträchtigen das psychische Gleichgewicht, die Resilienz, das allgemeine Wohlbefinden und damit auch die sportliche Leistungsfähigkeit bzw. Leistungsbereitschaft.

Nicht einfach drauflos sporteln

Wie und ob Sport ausgeübt werden kann, sollte stets individuell und in Absprache mit den behandelnden Experten wie der Gynäkologin oder Hebamme erfolgen – und das kontinuierlich im Hinblick auf den Schwangerschaftsverlauf und die Gesundheit von Mutter und Kind. Es gibt einige Kontraindikatoren, bei denen kein Sport betrieben werden bzw. sofort damit aufgehört werden sollte:

Blutungen
vorzeitige Wehentätigkeit
Fruchtwasseraustritt, vorzeitiger Blasensprung
Schwindel
übermäßige Kopfschmerzen
verminderte Bewegungen des Kindes
Atemnot
Operationen an der Gebärmutter während der Schwangerschaft

In der Regel sagt man, dass körperliche Aktivität bei einem normalen Schwangerschaftsverlauf zu empfehlen ist. Nun stellt sich jedoch die Frage, welche Art von Sport durchgeführt werden darf bzw. sollte. Gängige Empfehlungen lassen sich nur bedingt auf alle Schwangeren übertragen, denn schließlich unterscheiden sich das Bewegungsverhalten, Trainingsroutinen, die Leistungsfähigkeit und das Gesundheitsbewusstsein von Frau zu Frau. So kann es sein, dass eine Leistungssportlerin ihre Karriere nicht etwa mit einer Schwangerschaft beendet, sondern lediglich pausiert und danach wieder einsteigen möchte. Auf der anderen Seite der „Fitnessgeraden“ stehen Frauen, die keinen besonders aktiven Lebensstil pflegen, übergewichtig sind und an Vorerkrankungen wie Diabetes Typ II leiden, aber in der Schwangerschaft ein neues Gesundheitsbewusstsein entwickeln und sich regelmäßiger bewegen wollen.

Bewegungsempfehlungen in der Schwangerschaft

Wissenschaftlich gut belegt ist die positive Wirkung von leichten bis moderat-intensiven, sportlichen Aktivitäten in der Schwangerschaft. Als moderat gelten Übungen im aeroben Bereich, die nicht zu belastend sind und den Herzfrequenz-Richtwert von 140 Schlägen pro Minute nicht überschreiten. Wenn man bedenkt, dass die Herzfrequenz in der Schwangerschaft aber generell erhöht ist und auch unter Belastung schneller ansteigt, schränkt das die Auswahl an Sportarten stark ein. Man findet Empfehlungen wie Nordic Walking, Aquafitness, Schwimmen, Gymnastik und Schwangerschaftsyoga. Ähnlich wie bei den allgemeinen Bewegungsempfehlungen der WHO für alle Menschen wird Schwangeren ein Bewegungsausmaß von 150 Minuten pro Woche empfohlen, was einer 30-minütigen Belastung im mittleren Intensitätsbereich an fünf Tagen pro Woche entspricht. Dabei sollten die Aufrechterhaltung einer körperlichen Fitness sowie das Wohlbefinden im Vordergrund stehen, nicht etwa die Leistungssteigerung. Bei der Bewegungsausführung sollte man auf den eigenen Körper hören, um eine „Überanstrengung zu vermeiden“.

Positive Effekte

In zahlreichen Studien aus den letzten 30 Jahren konnten positive Effekte entsprechend der genannten Bewegungsempfehlungen nachgewiesen werden. So kann regelmäßige Bewegung bei der Kontrolle der mütterlichen Gewichtszunahme helfen, was bedeutet, dass die Gewichtszunahme weniger stark ist und die Wiederherstellung des Normalgewichts nach der Entbindung leichter zu erreichen ist. Außerdem ist bekannt, dass moderater Sport mit niedrigeren Kaiserschnittraten, einem verringerten Risiko von Schwangerschaftsdiabetes und der Prävention von prä- und postnatalen Depressionen einhergeht. Sportlich aktive Schwangere klagen seltener über Rückenschmerzen und erleiden aufgrund der besseren Körperkontrolle seltener Verletzungen, zum Beispiel durch Stürze.

Auch Beckenbodentraining in der Schwangerschaft zahlt sich nachweislich aus, denn es verringert die Wahrscheinlichkeit für eine Inkontinenz – gerade zum Ende der Schwangerschaft, aber auch postpartum. Außerdem kann es den Geburtsvorgang verkürzen. In einer Studie mit 814 Babys konnte darüber hinaus ein Zusammenhang zwischen der Lungengesundheit des Kindes und der Aktivität der schwangeren Mutter nachgewiesen werden. So zeigten Kinder, die von inaktiven Müttern geboren wurden, eine niedrigere Lungenfunktion als Babys von aktiven Schwangeren. In Studien zeigt sich insgesamt kein negativer Effekt auf das Geburtsgewicht des Kindes oder die Rate von Frühgeburten.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass moderate Bewegung während der Schwangerschaft für die Mutter von Vorteil ist und keine negativen Auswirkungen auf das heranwachsende Baby nachweisbar sind. Während also die Studienlage für leichte bis moderate Trainingsintensitäten solide ist und klare Bewegungsempfehlungen ableitbar sind, sieht es beim Thema Krafttraining oder intensiverem Ausdauertraining anders aus.

Quelle: Richard Pflaum Verlag
Bildquelle: wavebreakmedia / shutterstock.com

Weitere Tipps findest du in unserem Blog